Verein der Freunde der

Gründung des Vereins

Zu Zeiten des Senatsbeschlusses vom 8.2.2000, der die schnellste mögliche Schließung des Standorts der Lungenklinik Heckeshorn und Verlagerung der medizinischen Angebote auf das Gelände des Behring-Krankenhauses vorsah, gründete die Belegschaft ein Aktionsbündnis, das sich rasch im eigenen Hause als auch in den Medien Gehör verschaffte, die «Aktionsgruppe zum Erhalt der Lungenklinik Heckeshorn».

Aus ihr erwuchs  zwei Monate später der gemeinnützige Verein als Basis der weiteren  Öffentlichkeits- und politischen Arbeit, der bis zum heutigen Tage über 260  Mitglieder zählt.

Protestaktion
Protestaktion gegen die Verlegung der Lungenklinik Heckeshorn an den Standort Behring (Quelle: T.Hochmuth)

Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Gerhard Näthe, aufgezeichnet von Vera Seehausen

„In Berlin ist alles Politik!“ - Der Verein der Freunde der Lungenklinik Heckeshorn e.V

1. Seit wann besteht der Verein und was ist seine Zielsetzung?
Da wir zum großen Teil über Politik sprechen werden, lassen Sie mich vorwegschicken, dass ich mit dem, was ich sage, keinesfalls die Deutungshoheit über ein problematisches Kapitel der jüngeren Heckeshorner Geschichte beanspruchen will. Mit dem Wegzug der Lungenklinik von ihrem angestammten Sitz geht eine Geschichte zu Ende, die man als typisch für Berlin bezeichnen kann, das nach der Wende inzwischen mehr als die Hälfte seiner Krankenhausbetten eingebüßt hat.

Der „Belagerungszustand“ der Lungenklinik begann Mitte der 1990er-Jahre. Von Bezirksseite hat man sich von Anfang an mehr Sorgen um den Bestand des kommunalen Behring-Krankenhauses gemacht als um den der Lungenklinik, die überregional Patienten versorgte und deren Ruf um so größer wurde, je weiter man von Zehlendorf entfernt war. Auch Fantasien zur anderweitigen Verwendung des großen Grundstücks, auf dem die Lungenklinik beheimatet ist, dürften eine Rolle gespielt haben.

In den Wirren der Koalitionsverhandlungen im Herbst 1999 kam es dann zum Showdown. Das Oskar- Helene-Heim hatte hohen Investitionsbedarf, und von SPD-Seite wurde dem Vernehmen nach der Plan zur Übernahme des Krankenhauses Zehlendorf durch die Stiftung Oskar-Helene-Heim eingebracht. Die Gegenseite stellte die Forderung auf umgehende Räumung des Standorts Heckeshorn. Die hastig gezimmerte Vereinbarung führte bereits im Februar 2000 zu einem Senatsbeschluss, dass die Fusion des Behring-Krankenhauses, der Lungenklinik Heckeshorn und des Oskar-Helene-Heims so rasch wie möglich zu erfolgen habe. Es entstand die „Zentralklinik Emil von Behring“.

Die daraufhin gebildete „Aktionsgruppezum Erhalt der Lungenklinik Heckeshorn“ erfasste uns praktisch alle und startete auf breiter Front mit Anzeigen, Aktionen und Presseerklärungen. Die Argumentationslinie war sehr klar und einleuchtend: Bis Mitte der 1990er-Jahre war die Lungenklinik mit 140 Mill. DM baulich auf den neuesten Stand gebracht worden, die modellhafte Zusammenarbeit der Fachabteilungen gewährleistete höchstes Niveau und war durch die Umzugspläne maximal gefährdet. Dass die Zusammenlegung wirtschaftlicher sein sollte, haben wir schon damals sehr infrage gestellt. Erst vor kurzem hat übrigens McKinsey festgestellt, dass kleine Fachkliniken mit wenigen Abteilungen sehr effizient sein können.

Am 27. März 2000 wurde der Verein gegründet als eine unabhängige Organisation und Stimme der besorgten Mitarbeiter. Satzungsziel war die Verbesserung der Versorgung der Berliner Lungenpatienten und der Erhalt der Lungenklinik, also Öffentlichkeitsarbeit.

Protestplakate
Protestplakate (Quelle: T.Hochmuth)

2. Wie viele Mitglieder hat der Verein?
Die Höchstzahl lag bei 300 Mitgliedern, heute sind es nach Wegzug oder Ausscheiden des einen oder anderen 270. Die Mitglieder kommen aus allen Berufsgruppen der Klinik, aber auch viele niedergelassene Lungenfachärzte, Patienten und Angehörige haben sich uns angeschlossen, was sehr wichtig für uns war und ist. Unsere ungeschminkten Rundschreiben haben sicher einen noch größeren Leserkreis!

3. Die Aktionen, die Sie gemacht haben, um den Standort Heckeshorn zu retten, hatten ja große Medienresonanz – wie hat sich das auf Ihre Einflussmöglichkeiten ausgewirkt?
An den damaligen Verhandlungen wurden wir nie beteiligt, unsere Stärke waren argumentationsfreudige
Gespräche nach allen Seiten – immer zu zweit, keine Einzelaktionen. Der Bezirk, alle Parteien im Abgeordnetenhaus, Senatsbehörden, Gewerkschaften – bis auf die Krankenkassen waren alle zumindest zu Gesprächen bereit. Schnell kam ein Netzwerk zustande, das dem gegenseitigen Informationsaustausch diente.

4. Welche Prominenz hat Sie unterstützt und wie kam der Kontakt zustande?
Schützenhilfe kam von Mitgliedern des Bundestags wie Sabine Bergmann-Pohl, Petra Pau, Jürgen Koppelin oder Renate Rennebach. Claudia Schmutzler alias „Schwester Stefanie“ aus der gleichnamigen Fernsehserie und Christoph Schobesberger alias „Oberarzt Stein“ gaben Autogramme bei unserem Tag der offenen Tür, die Serie wurde ja auf unserem Gelände gedreht und man kannte sich gut. Unsere wichtigste Verbündete aber wurde Hildegard Knef, die einen offenen Brief an Eberhard Diepgen schrieb.

Hildegard Knef
Berliner Kurier

5. In welchem Zeitraum haben Sie die enorme Anzahl von 36000 Unterschriften sammeln können – und mit welchem Aufwand?
Kaum sechs Wochen hat es gedauert und wie das ging? Die Belegschaft hat eben zusammengehalten! Allen war doch bewusst, in was für einer herausragenden Einrichtung wir arbeiteten – ein „Stern am Himmel“, eine „Fakultät“, die „Lunge Berlins“, alles liebevolle, begeisterte und auch dankbare Bezeichnungen unserer Beschäftigten und Patienten. Und ich denke, sie hatten Recht: Der Ort hat seinen Genius und eine außergewöhnliche, glanzvolle Tradition. Natürlich ging es auch um viele hoch qualifizierte Arbeitsplätze in hoch motivierten, eingearbeiteten Teams.

6. Was haben Sie damals erreicht?
Dass die Gesundheitsverwaltung schließlich eingelenkt hat: erst das Oskar-Helene-Heim und erst drei bis vier Jahre später die Lungenklinik an den Standort Walterhöferstraße umzusiedeln, war sicher durch den Druck in den Medien mit bedingt, aber da haben auch die Klinikvertreter in den offiziellen Verhandlungen viel geleistet. Man kann das Ergebnis als Schadensbegrenzung bezeichnen. Nach der Sommeraktion im Jahr 2000 haben zahlreiche Aktive des Vereins dann den Marsch durch die Institutionen angetreten: Betriebsrat, Kuratorium des neuen Trägers, also der Stiftung Oskar-Helene-Heim, planungsbegleitender Ausschuss für einen Neubau, der nie zustande kam. In Gremien und fortgesetzten Gesprächen haben wir immer wieder den Finger in die Wunde gelegt, wenn die Umzugsplanungen drohten, das Lungenzentrum zu beschädigen. Die Abteilungen haben am alten Standort einfach vorbildlich zusammengearbeitet, das war ein Erfolgsrezept jahrzehntelanger Entwicklung. Wir waren durch die Gremienarbeit zwar teilweise einem gewissen Druck ausgesetzt, aber haben in den letzten fünf Jahren eine ganze Reihe von Unstimmigkeiten ans Licht gebracht. Und das allerdings hat etwas bewegt, bis heute.

Zeitungsartikel
Berliner Morgenpost

7. Welches Resümee ziehen Sie aus Ihrer Arbeit und wo liegen heute die Schwerpunkte des Vereins?
Die Hauptveranstaltung für die Öffentlichkeit ist seit dem Jahr 2000 der jährliche Tag der offenen Tür in Heckeshorn, der immer gut besucht war und vom heutigen Träger, der HELIOS-Gruppe, auch sehr unterstützt wird. Diese Tradition werden wir nach dem Umzug fortsetzen und damit einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des Umzugs in der Öffentlichkeit leisten.

Der Verein bildet nach wie vor eine legitime, unabhängige Interessenvertretung der Unterstützer der Lungenklinik Heckeshorn, die sehr klar ausspricht, wo die Belange des Zentrums aus Sicht der Mitglieder verletzt werden. Natürlich bleibt eine gewisse Enttäuschung darüber, dass der ideale Standort am Wannsee – mit seinen in Jahrzehnten optimierten Strukturen und technisch auf dem neuesten Stand – nicht gehalten werden konnte und man sich letztendlich den politischen Kräften beugen musste, die das so verbissen und mit fragwürdigen Motiven vorangetrieben haben. Viele Beschäftigte und Mitglieder unseres Vereins befürchte natürlich nach 60 Jahren erfolgreicher Arbeit am bisherigen Standort den unwiederbringlichen Verlust dieser Institution. Aber auf Wehmut baut man keine Zukunft auf und die wollen wir genauso aktiv mitgestalten, wie wir uns bisher für Heckeshorn und die Lungenpatienten eingesetzt haben.

Wir werden sehr darauf achten und dafür kämpfen, das Lungenzentrum und seinen Traditionsnamen „Lungenklinik Heckeshorn“ zu erhalten, der ein Markenzeichen in Berlin und in Deutschland, ja sogar weltweit ist und hoffentlich bleiben wird. Denn wie unser neuer Chefarzt Dr. Bauer in seiner Antrittsrede sagte: „In Berlin ist alles Politik!“


60 Jahre Lungenklinik Heckeshorn Der Artikel ist dem vorliegenden Band zum 60-jährigen Jubiläum der Klinik entnommen. Dieser versammelt zahlreiche Beiträge zu der Entwicklung der einzelnen Abteilungen und Funktionsbereiche, Porträts zentraler Persönlichkeiten sowie Geschichten aus dem Klinikleben und dokumentiert zugleich die vielfältige Vernetzung der Lungenklinik Heckeshorn in der internationalen "Szene" der Pneumologie und Thoraxchirurgie.



DOI: 10.1055/b-002-19465
Seehausen, Vera; Bauer, Torsten T.; Kaiser, Dirk; et al.: 2007
Von der Phthisiologie zur Pneumologie und Thoraxchirurgie 60 Jahre Lungenklinik Heckeshorn
Print ISBN 9783131346513
Online ISBN 9783131864611